Deutsche SeiteEnglische Seite


ANJA CIUPKA

eröffnung: Freitag, 14. Januar, 19 uhr
Ausstellung: 15. Januar - 18. März 2011

künstlerGespräch mit Dr. Barbara J. Scheuermann:
Donnerstag, 17. Februar, 19 Uhr



Anja Ciupka (*1975) zeigt in ihrer ersten Einzelausstellung bei Marion Scharmann Zeichnungen, Installationen sowie ein Video. In ihren strengen, minimalistischen Arbeiten reflektiert die Künstlerin auf subtile und gleichermaßen hoch ästhetische Weise soziologische Zusammenhänge.

Das Werk »butterfly effect« besteht aus silbern glänzenden Boule Kugeln, die auf dem Galerieboden verteilt sind. Die Arbeit wirkt durch ihre Materialästhetik, thematisiert die Inbesitznahme des Raumes – nicht zuletzt durch den Sound, den die rollenden Kugeln verursachen – und gleichzeitig erinnert das Zusammenspiel der Kugeln an ein Soziogramm. Die Kugeln liegen alleine oder in Gruppen formiert und können von den Besuchern angestoßen und verschoben werden. Die Verschiebungen bilden unsichtbare Linien im Raum und es finden ständig neue Verortungen, neue Gruppierungen statt. Am Eröffnungsabend könnte die Kombination der Kugeln die Vernissagebesucher spiegeln, die sich ständig zu neuen Gruppen formieren oder alleine, betrachtend vor einem Werk stehen. Darüber hinaus kann dieses Werk für die Interaktion jedweder Individuen stehen. Warum stoppt Kugel A direkt neben Kugel C und nicht bei Kugel B? Wie im Leben sind es unterschiedliche Faktoren, die eine Beziehungskonstellation beeinflussen und viele dieser Faktoren sind nicht messbar. Durch den möglichen Eingriff der Besucher wird auch der Einfluss von außen auf Beziehungskonstellationen mitgedacht und große Fragen stehen plötzlich im Raum. Agieren wir autark oder ist doch alles vorherbestimmt?
»butterfly effect« nennt Anja Ciupka diese Arbeit, und verweist auf eine Bezeichnung aus der Chaostheorie – schon ein Flügelschlag eines Schmetterlings kilometerweit entfernt kann eine Auswirkung auf unser Leben haben.
So hat die Künstlerin alle Kugeln bei ebay ersteigert und jede Kugel hat ihre eigene Geschichte zu erzählen, wie auch die Abnutzungsspuren der einzelnen Kugeln zeigen.
»butterfly effect« besticht – wie die meisten Werke der Künstlerin - durch eine minimalistische Strenge die viel Raum für Reflektion zulässt und gleichzeitig etwas Leichtes und Spielerisches ausstrahlt.

Liegt in »butterfly effect« das Augenmerk auf dem großen Ganzen, entstanden durch das Zusammenspiel von unbestimmten Einzelnen, so fokussiert die Textarbeit »Me« den Einzelnen und davon ausgehend werden seine jeweiligen Beziehungen dargestellt. Der Protagonist »Me« knüpft Beziehungen zu unterschiedlichen Personen in immer variierenden Konstellationen.
Persönliche Beziehungen werden hier scheinbar unemotional formuliert durch eine kühle Aufzählung in Schriftform. Gleichzeitig erinnert »Me« aber auch an ein Gedicht, das wiederum durch wenige Worte einen Kosmos schafft, oft einen sehr emotionalen. Ebenso entfaltet die Arbeit »Me« durch die zahlreichen Verknüpfungen endlose Geschichten.
Auch der Wunsch des Betrachters anhand der Kunst in die Seele des Künstlers zu schauen wird genährt doch nicht gestillt. Ist biographisches Material mit in die Arbeit eingeflossen oder entstammen diese Beziehungsgeflechte der Fantasie der Künstlerin?
Dies bleibt offen, doch reflektiert Anja Ciupka in diesem, wie in vielen anderen ihrer Werke auch ihre eigene Position als Künstlerin in der Kunstwelt. Die Verortung des »Me« ist sehr wichtig für einen Künstler ebenso wie sein Netzwerk.

In den Zeichnungen »me ground plan« gibt Anja Ciupka einigen in »Me« dargestellten Beziehungskonstellationen einen architektonischen Raum. Der Grundriss visualisiert das Zusammenleben und setzt die Personen in räumlichen Konstellationen zusammen.
Die Inbesitznahme des Raumes, die sich schon in »butterfly effect« manifestiert, zeigt sich auch in den Zeichnungen. Einer Person wird ein Raum zugeordnet, der wiederum mit Räumen anderer Personen in Zusammenhang steht.

In der Videoarbeit »Attic Evidence« wird der Raum durch den Blick in Besitz genommen - wie ein Detektiv erhält der Betrachter Indizien über einen Ort, doch reicht dies aus, um sich den Raum komplett vorstellen zu können? Der Raum wird zum Bild, zum Ornament und gleichzeitig muss der Raum wiederum im Kopf des Betrachters zu Ende gedacht werden.



Anja Ciupka, »butterfly effect«, 2010
94 Boule Kugeln aus Stahl, Größe variable
Auflage von 5 + 1


Anja Ciupka, »me«, 2010
Folienschrift, ca. 300 cm x 230 cm
Auflage von 5 + 1


Anja Ciupka, »me ground plan«, 2010
6 Zeichnungen, Tusche auf Papier, je 42 x 59 cm, Unikate

Anja Ciupka, »Attic Evidence«, 2008
Video auf DVD, 5 min
Auflage von 5 + 1

Installationsansicht 


Installationsansicht


Installationsansicht